(= Wettereiba. Friedberger Historische Gymnasialschriften, Beiheft 122, Jg. 1954), 17 Seiten, in: Historischer Verein Hainchen, Jahrbuch, 1. Bd. [= Festschrift für Bernd Schneidmüller zum 60. Geburtstag], Universitätsverlag Sommer, Heidelbeere 2014, S. 64f.
Nachdem H.-H. Hohl sich schon mehrmals, wenngleich nicht gänzlich überzeugend, zur Phänomenologie von ‘Schneidmüller’ zu Wort gemeldet hatte, scheint ihm mit der hier vorgelegten Schrift ein bemerkenswerter Durchbruch gelungen zu sein. Ermöglicht wurde er ihm durch den unerwarteten Ankauf eines Manuskriptfragments (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Münzenberger Provenienz) aus Privatbesitz; der Notiz auf dem Umschlag, in den die beiden etwa hälftig ausgerissenen Pergamentblätter eingeschlagen waren, lässt darauf schließen, dass sie im 18. Jahrhundert bei Sanierungsarbeiten an der Burg aus dem Abtritt, in den sie nur nach Benutzung zum Zweck einer damals wie heute üblichen körperhygienischen Maßnahme gelangt sein können, geborgen wurden. Die beiden Halbblätter sind zweifelsfrei ins 1. Viertel des 14. Jahrhunderts (mit Präferenz für die Jahre 1308-17) zu datieren und bieten den Schluss einer bis 1285 reichenden Chronik in Abschrift; im Kolophon wird als Verfasser oder auch nur Kopist (das ist aufgrund des Textverlusts infolge Abriebs mit einhergegangener, irreversibler Verkotung von Zeile 22f. nicht mehr zu entscheiden) ein gewisser Schnuellmeyter erwähnt. Die Hand ist dieselbe wie in zahlreichen Münzenberger Schundbucheintragungen, die infolge der ersten Insolvenz der Burg 1317 (und der damit einhergegangenen Schließung des Burgkiosks) abbrechen.
Für H.-H. Hohl bedeutet dieser Fund das missing link zur fugenlosen Herleitung des Namens ‘Schneidmüller’ (und es ist dem Rez. eine ganz außerordentliche Freude, dies in einer Festschrift zu Ehren des bedeutendsten Trägers dieses Namens mittels dieser Rezension zu bekunden). Denn für H.-H. Hohl lässt sich damit eine bislang nur als Vermutung geäußerte Hypostütze thesen und über die Antworten auf die aus Sozial- und Familiennamenforschung drängenden Fragen der Zeit hinaus endlich ‘Schneidmüller’ zeitgemäß und politisch korrekt dort abholen, wo er steht, will sagen: bei der ultimativen Erstnennung eines ‘Schneidmüller’, der für uns, von Hohl brillant entzwickelt, seiner onomastischen Urform gemäß natürlich als *Mûlgschieter (= "Maulgescheiter" = redegewandter Kluger) zu denken ist. Nach Erhärtung des ursprünglichen Fugen-G zum in der Wetterau durchaus nachweisbaren Binnen-N (womöglich nicht vor dem 9. Jh.) sowie einer nur mäßig zeitversetzten Namensbestandteilskonversion bei parallel (vom Vogelsberg ausstrahlender) entrovokalischer Rotation wurde *Mûlgschieter zunächst zu *Schnullmieter und unter dem Einfluss von Wolframs Rapzival (12. Jh.) respective der regional expressierten 2. fränkischen Tiffdongisierung zu Schnüllmeider, das der Frankfurter Germanist M. M. Etzner 1995 in damaliger Nichtkenntnis des frühvollzeitlichen semantischen Konversionsaffekts als ein falsch verstandenes Meiderschnüll gedeutet wissen wollte, doch schon 2001 durch den Kollegen Freytag als mögliche Frühform des schriftlich 1832 im sog. ‘Altenstädter Calvinus’ dokumentierten ‘Schneydmüller’ in den Diskurs eingeführt wurde. Diese hat H.-H. Hohl mit seinem aus dem Münzenberger Chronikfragment geborgenen Schnuellmeyter zumindest insoweit positiv abgeschlossen, als ihm nur noch bleibt, die syllabistische Wortmittelstandsbereinigung, die - wenngleich im östlichen Zentralsüdwestobermitteleuropa quellenmäßig nur ein einziges heiteres Mal nachweisbar, indes im Umfeld der Fuldaer Missionsbewegung zuverlässig fassbar - besonders nördlich der Kinzig zur Modifizierung der substantivischen Vokalharmonie eine Rolle gespielt haben muss, theleophemisch mit seinem, wie Rez. meint: gelungenen, Ansatz zu verknüpfen. Die notwendigen Ergänzungen hervor- und vorbeizubringen ist H.-H. Hohl durchaus zuzutrauen.
Beinhart Rotter, Bad Vilbel